Vertrauen steht derzeit auf dem Prüfstand:
Als Ressource mit kultureller Bindekraft scheint es sich in Zeiten eskalierender Krisen abzunutzen. Es scheint außerdem kaum mehr zu gelingen, zu geteilten Praktiken zu kommen und gemeinsame Narrative zu entwickeln. - So lautet jedenfalls derzeit die weitverbreitete öffentliche Meinung. Die aus dem menschengemachten Klimawandel resultierenden ökologischen und sozialen Krisen, die Corona-Pandemie und zuletzt die militärische Eskalation in der Ukraine begünstigen diese Wahrnehmung und führen zu Ängsten vor drohenden Katastrophen. Diese kritische Lage und die mit ihr verbundenen Bedrohungen für soziale Ordnungen fördern Debatten über Vertrauen als entscheidende, aber bedrohte Ressource. Vertrauen und Misstrauen sind unbeständige Konzepte und Versuche ihrer konzisen Definition bleiben unbefriedigend. Sie sind notwendigerweise kontextabhängig und haben einen zeitlichen Index. Was auch immer Vertrauen ist, ist daher vergänglich.
Wir wollen verstehen, wie doing trust funktioniert.
Die Forschungsgruppe “Doing Trust in an Era of Crises and Catastrophes” geht davon aus, dass die komplexen Prozesse, die Vertrauen und Misstrauen hervorbringen, am besten in interdisziplinärer Perspektive untersucht werden können. Wir analysieren deshalb aus Sicht der Literatur- und Kulturwissenschaften, der Philosophie und Geschichtswissenschaft, der Psychologie, des Katastrophenschutzes und der Informatik, wie Vertrauen und Misstrauen entstehen und wie sie durch soziale Praktiken, Erzählungen, Kommunikationsstrategien und Technologien geprägt werden. Dabei interessiert uns auch, wie Wissen Vertrauen einerseits stützen, oder andererseits grundlegend in Frage stellen kann. Wir gehen dabei von der Hypothese aus, dass Vertrauen fortlaufend durch drei Praktiken und Kulturtechniken hervorgebracht wird:
a) durch Erzählungen und Narrative, die Vertrauen stabilisieren oder destabilisieren,
b) in der Kommunikation als psychosozialer Praxis/Technik des Vertrauensaufbaus resp. der Artikulation von Mistrauen,
c) durch die Genese und die Distribution von Daten, Information und Wissen sowie deren Steuerbarkeit.
Unsere Forschung zielt auf ein fundamentales Verständnis der Handlungsfähigkeit und der Kompetenzen von Akteur:innen in ihren praktischen, kommunikativen und technologischen Kontexten, um die Dynamiken von Vertrauen und Misstrauen, besonders in Zeiten der Krisen und Katastrophen, beurteilen zu können und damit die Voraussetzungen zu schaffen, in diese auch praktisch zu intervenieren.
Für weitere Informationen zu den Beteiligten oder einzelnen Projekte der Gruppe siehe Personen.